Enrico Sangiuliano at Awakenings Festival 2018, Area V – Drumcode
Wenn die Kick die Wolken aufreißt: Enrico Sangiulianos Drumcode-Moment bei Awakenings 2018
Es ist dieser magische Augenblick, in dem der Bass wie ein ferner Donner über die Wiese rollt und ein kollektives Raunen durch die Menge geht: Enrico Sangiuliano betritt die Bühne von Area V beim Awakenings Festival 2018, kuratiert von der Marke seines Mentors – dem Label Drumcode. Der italienische Produzent und DJ, dessen Name seit Jahren als Synonym für druckvollen, zugleich raffiniert melodischen Techno gilt, liefert in Spaarnwoude, unweit von Amsterdam in den Niederlanden, eine Lehrstunde in Dramaturgie, Sounddesign und Timing. Das Ergebnis: ein Set, das im Gedächtnis bleibt, weil es den Spagat zwischen maximaler Energie und maximaler Präzision wagt.
Awakenings, Area V und die DNA von Drumcode
Das Awakenings Festival ist seit Jahren einer der globalen Knotenpunkte für Techno. Seine kuratierten Areas bilden das Ökosystem einer Szene ab, die sich von rohem Warehouse-Sound bis zu epischen, großflächigen Klanglandschaften spannt. Area V trägt 2018 unüberhörbar den Stempel von Drumcode – einem Label, das von Adam Beyer gegründet wurde und seit den späten 1990er-Jahren als Schrittmacher für funktionalen, clubtauglichen Techno gilt. Drumcode steht für klare, druckvolle Kicks, raumgreifende Synth-Layer und eine Produktionsästhetik, die sowohl im Klub als auch auf massiven Festival-PAs funktioniert. Genau hier setzt Enrico Sangiuliano an: Er beherrscht diese Sprache nicht nur – er erweitert sie.
Ein Set wie ein Roman in Kapiteln
Schon in den ersten Minuten stellt Sangiuliano die Regeln auf: keine Eile, keine unnötigen Effekte, stattdessen ein sauberer Build-up. Er beginnt mit rhythmischer Klarheit – ein geradliniger Four-to-the-floor, fein abgestufte Hi-Hats, subtil modulierte Bassläufe. Dann, schrittweise, kommen melodische Elemente hinzu: schimmernde Arpeggios, die wie Satelliten um die zentrale Kick kreisen. Diese Struktur ist typisch für ihn: Spannung aufbauen, einlassen, lösen – und das in Schleifen, die sich gegenseitig spiegeln. Es ist die Kunst, Energie zu stapeln, ohne die Kontrolle zu verlieren. Wer genauer hinhört, erkennt, wie er Übergänge fast unmerklich setzt: melodische Motive erscheinen im Ausklang eines Tracks, nur um im nächsten als dominantes Thema wiederzukehren. Der Effekt ist ein Gefühl des Fließens, in dem die Zeit elastisch wird.
Klangarchitektur: Klarheit statt Kirmes
Auf der riesigen Bühne eines Festivals kann Sound leicht zu Brei werden. Sangiuliano umschifft diese Falle mit chirurgischer Präzision. Seine Mischästhetik basiert auf klaren Frequenzfenstern: Die Kick sitzt trocken im unteren Spektrum, der Sub ist spürbar, aber selten wummernd; der Mittenbereich bleibt aufgeräumt, damit sich die Leads entfalten können. EQ-Eingriffe und Filterfahrten setzt er gezielt ein, um Spannung zu modellieren – nie als Selbstzweck. Reverbs öffnen die Bühne in den Breakdowns, doch sobald der Drop kommt, zieht er die Räume zusammen. Dieses „Atmen“ der Hallräume – aufziehen, halten, schließen – verstärkt den Sog. Wer jemals vor einer großen Beschallungsanlage stand, weiß, wie entscheidend dieser Wechsel von Weite und Fokus ist.
Publikum, Kulisse und das Ritual der Nacht
Awakenings in Spaarnwoude – das bedeutet Wiesen, Zelte, Wege aus Holzschnitzeln und eine Logistik, die jeden Sommer eine kleine Stadt entstehen lässt. Spaarnwoude selbst, ein Naherholungsgebiet, wird zum Resonanzraum für kollektive Ekstase. Die Menge kennt Sangiulianos Handschrift und reagiert entsprechend: Arme fliegen hoch, wenn er Breakdowns dehnt; ein Raunen geht durch die Reihen, wenn die Kick im exakt richtigen Moment zurückkehrt. Es ist die Choreografie des Raves, die seit den Anfängen der Rave-Kultur funktioniert – nur dass hier alles größer, lauter, präziser ist. Der DJ wird zum Dirigenten, die Tanzfläche zum Orchester. Und doch bleibt es zutiefst menschlich: Fremde umarmen sich, Blicke treffen sich, die Musik knüpft in Sekunden Verbindungen, die Worte kaum schaffen.
Biomorph und darüber hinaus: Die Handschrift eines Produzenten
2018 ist für Enrico Sangiuliano auch das Jahr, in dem er als Produzent seine Klangidee zementiert. Sein Album „Biomorph“ erscheint auf Drumcode – eine Sammlung von Stücken, die die Brücke schlagen zwischen Funktionalität und Cinematic-Momentum. Auch wenn Festival-Sets naturgemäß nicht wie ein Album „funktionieren“, ist dessen Handschrift spürbar: organische Klangfarben, die unter der polierten Oberfläche pulsieren; Sequenzen, die sich schichten wie Sedimente. Sangiuliano rollt keine bloßen Werkzeug-Tracks ab, er erzählt – in dichten, zugleich klaren Sätzen. So wird Area V zur Bühne, auf der er sowohl als DJ als auch als Soundarchitekt überzeugt.
Der dramaturgische Höhepunkt
Jedes starke Set hat diesen einen Punkt, an dem die Energie eine neue Stufe erreicht. Bei Sangiuliano ist es ein Doppelmoment: Zuerst dehnt er einen Breakdown so weit, bis er fast bricht; dann setzt er den Drop mit einer winzigen Verzögerung – vermutlich nur ein paar Millisekunden im Gefühl –, aber dieser „Atemzug“ macht alles größer. Kurz darauf dreht er die Schraube noch einmal, schiebt eine zweite Zündung hinterher, diesmal mit einer Leadphrase, die wie ein Kompass über dem Beat schwebt. In diesen Minuten zeigt sich, wie fein er die Psychologie der Tanzfläche versteht. Es ist nicht der Lautstärkepegel, der die Gänsehaut erzeugt, sondern das Timing.
Warum dieses Set noch nachhallt
Sets, die bleiben, zeichnen sich selten durch Spektakel aus. Sie bleiben, weil sie kohärent sind, weil jeder Übergang Sinn ergibt, weil das Publikum sich in ihnen wiederfindet. Sangiulianos Auftritt bei Awakenings 2018 ist genau so ein Fall: ein präzises Statement, das zugleich großherzig ist. Es ist Musik, die etwas zutraut – dem Hörer, der Anlage, der Nacht. Und vielleicht ist es genau das, was die Faszination des Drumcode-Kosmos ausmacht: die Verbindung von Handwerk und Pathos, von Struktur und Gefühl.
Fragen & Antworten zum DJ Set
- Wer ist Enrico Sangiuliano?
Ein italienischer Techno-DJ und -Produzent, international bekannt für energiegeladene, melodisch geprägte Produktionen und Sets. Weitere Infos finden sich bei Wikipedia.
- Was ist das Besondere an Area V bei Awakenings?
Area V ist eine der kuratierten Bühnen des Awakenings Festival. 2018 prägte Drumcode das musikalische Profil – druckvoll, präzise, festivalgeeignet.
- Welche Rolle spielt Drumcode im Techno-Kosmos?
Drumcode ist eines der einflussreichsten Techno-Labels, gegründet von Adam Beyer. Es steht für hochwertige, clubtaugliche Produktionen mit starkem Fokus auf Sounddesign.
- Wo findet das Awakenings Festival statt?
Traditionell im Freizeitgebiet Spaarnwoude in den Niederlanden, nahe Amsterdam. Die Kulisse aus Natur und Infrastruktur macht den besonderen Charme aus.
- Wie lässt sich Sangiulianos Stil beschreiben?
Kraftvoller, dynamischer Techno mit klaren Kicks, breiten, oft cinematischen Leads und betonten Build-ups. Er verbindet Funktionalität mit Emotion, ohne die Tanzfläche aus dem Blick zu verlieren.
- Gab es einen offiziellen Mitschnitt des Sets?
Awakenings veröffentlicht häufig Sets in Auszügen. Für 2018 kursieren verschiedene Mitschnitte im Netz; die Verfügbarkeit kann je nach Plattform variieren.
Faktisches:
- Awakenings ist eines der größten Techno-Festivals Europas und findet in der Regel im Juni statt.
- Area V wurde 2018 im Geist von Drumcode kuratiert – funktional, druckvoll, massentauglich.
- Enrico Sangiuliano ist ein international gefragter Produzent und DJ, dessen Tracks regelmäßig in den Charts der Szene auftauchen.
- Das Festivalgelände liegt in Spaarnwoude, einem Naherholungsgebiet in den Niederlanden.
- Die Klangästhetik des Sets: klare Kicks, tiefe, kontrollierte Subs, weit aufgezogene Synth-Flächen in den Breakdowns.
- Typisch für Sangiuliano sind lange, spannungsvolle Übergänge und melodische Hooklines mit großem Wiedererkennungswert.
- Drumcode wurde von Adam Beyer gegründet und prägt seit den 1990ern modernen Techno.
- Awakenings steht für hochkarätige Line-ups, präzise Produktion und eine treue, internationale Crowd.
Kritische Analyse
- Markenästhetik vs. Vielfalt: Ein kuratiertes Drumcode-Setup garantiert Qualität, kann aber den ästhetischen Rahmen enger ziehen und experimentellere Facetten des Techno an den Rand drängen.
- Festivalformat vs. Clubkultur: Die große Bühne erzeugt Wucht, doch Intimität und Spontaneität, die in Clubs entstehen, sind schwer zu reproduzieren.
- Lautheitsökonomie: Der Druck moderner Festival-PAs verführt zu maximaler Loudness – auf Kosten dynamischer Feinzeichnung, wenn nicht sensibel gemixt wird.
- ID-Kultur: Unveröffentlichte Tracks erzeugen Hype, erschweren aber die Transparenz der Tracklists und die Anerkennung für Produzentinnen und Produzenten.
- Smartphones in der Luft: Dokumentation ja, aber sie kann die kollektive Präsenz stören und die unmittelbare Erfahrung schwächen.
- Nachhaltigkeit: Großevents bringen eine erhebliche ökologische Last mit sich; Initiativen für geringere Emissionen und Müllvermeidung bleiben zentral.
- Gender Balance und Inklusion: Die Szene diskutiert weiterhin über ausgewogene Line-ups; Festivals besitzen hier eine wichtige Vorbildfunktion.
- Kurze Slot-Zeiten: Eng getaktete Timetables können die erzählerische Tiefe eines Sets begrenzen – eine Herausforderung, die Sangiuliano mit klarer Dramaturgie meistert.
Fazit
Enrico Sangiulianos Auftritt auf Area V beim Awakenings Festival 2018 ist mehr als ein weiterer Techno-Slot auf einer großen Bühne. Er ist ein präzise komponierter Bogen, der zeigt, wie sich die Ästhetik von Drumcode und die persönliche Handschrift eines Künstlers gegenseitig verstärken können. Das Set verbindet Handwerk und Herz, Studioqualität und Festivalwucht, Klarheit und Pathos. In der Summe entsteht ein Erlebnis, das die Essenz der Rave-Kultur in die Gegenwart holt: gemeinsames Eintauchen, gemeinsames Aufgehen in Rhythmus und Klang. Und genau deshalb hallt dieser Drumcode-Moment lange nach – in Erinnerungen, Gesprächen und in der Sehnsucht nach dem nächsten Drop.
Quellen der Inspiration
- Enrico Sangiuliano – Wikipedia
- Awakenings Festival – Wikipedia
- Drumcode Records – Wikipedia
- Adam Beyer – Wikipedia
- Techno – Wikipedia (de)
- Spaarnwoude – Wikipedia (de)
- Niederlande – Wikipedia (de)
- Rave – Wikipedia (de)
WICHTIG
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