Modeselektor | Live at Melt Festival 2019
Stahlfunken und Bassgewitter: Wie Modeselektor Ferropolis beim Melt 2019 in einen technoiden Hexenkessel verwandelten
Hauptteil
Wenn man über moderne elektronische Live-Acts spricht, führt kein Weg an Modeselektor vorbei. Das Berliner Duo, das seit den späten 1990er-Jahren zwischen Techno, Electro und basslastiger Experimentierfreude changiert, hat sich auf den großen Festivalbühnen ebenso einen Ruf erarbeitet wie in verschwitzten Clubnächten. Ihr Auftritt beim Melt! Festival im Sommer 2019 gilt vielen Fans als Paradebeispiel dafür, wie rohe Energie, verspielte Ironie und präzise technische Umsetzung in einer Stunde zur kollektiven Ekstase führen können. Die Kulisse: Ferropolis, die „Stadt aus Eisen“, in der stillgelegte Tagebau-Bagger als titanische Skulpturen über der Bühne thronen und jeden Beat visuell verstärken.
Modeselektor sind bekannt für ihr Gespür, Genres nicht nur zu streifen, sondern zu zerlegen und neu zusammenzufügen. Ein Melt-Set von ihnen ist deshalb nie eine lineare Reise, sondern eine Achterbahnfahrt: Wummernde Kickdrums wechseln mit schneidenden Synths, zerhackte Vocals entladen sich in rauen Hooks, und plötzlich taucht eine melodische Linie auf, die sich in die Köpfe bohrt. Diese Unberechenbarkeit ist keine Laune des Moments, sondern Kern ihres künstlerischen Selbstverständnisses. Schon früh haben sie in Berlin – in der Nachbarschaft legendärer Orte wie dem Berghain – gezeigt, wie man Grenzen nicht respektiert, sondern lustvoll überschreitet.
2019 befanden sich Modeselektor in einer besonders produktiven Phase, die von neuen Studioideen, aber auch einer Rückbesinnung auf ihre Live-Identität geprägt war. Auf dem Melt verkörperten sie diese Haltung mit einer Performance, die weniger auf sterile Perfektion als auf risikofreudige Dynamik setzte. Es war kein reines „Durchspielen“ eines Albums, sondern ein kuratiertes Destillat dessen, was das Duo ausmacht: bassgetriebene Tracks, die auf großen Flächen funktionieren, aber im Detail aus kleinen, cleveren Mikroentscheiden bestehen. Gerade in Ferropolis, wo Stahlkolosse die Bühne umrahmen, entfaltet sich die Grobkörnigkeit ihrer Sounds besonders eindrücklich – als würde das Eisen selbst mitschwingen.
Live demonstrieren Modeselektor eine Produktionsästhetik, die sich von polierten Festival-EDM-Strukturen absetzt. Statt berechenbarer Drops arbeitet das Duo mit Spannungskurven, die mal ruppig abbrechen und mal überraschend lange simmernd gehalten werden. Hier zeigt sich ihre Nähe zu experimentelleren Strömungen wie Intelligent Dance Music und Bassmusik: Rhythmische Verschiebungen, granulierte Texturen und verzerrte, oft humorvolle Samples sorgen dafür, dass die Menge stets wachsam bleibt. Der dramaturgische Bogen ihres Melt-Sets hielt die Balance zwischen Zugänglichkeit und Edge – eine Kunst, die Modeselektor über zwei Jahrzehnte verfeinert haben.
Die visuelle Dimension spielte 2019 eine tragende Rolle. LED-Wände, Strobes und farbintensive Projektionen übersetzten die rauen Klangflächen in eine Bildsprache, die zwischen futuristischem Industrial und neonleuchtender Rave-Romantik pendelte. In der nächtlichen Weite von Ferropolis, wo die Umrisse der gigantischen Schaufelradbagger den Himmel schneiden, wirken solche Bilder wie Runen eines postindustriellen Rituals. Es ist diese Synthese aus Ort und Sound, die einen Melt-Moment mit Modeselektor so unverwechselbar macht: Der Raum antwortet auf die Musik – und umgekehrt.
Musikalisch setzen Modeselektor live auf hybride Setups, in denen performative Gesten den Unterschied machen. Wenn Filter aufgerissen, Delay-Ketten scharf gestellt oder Drum-Pattern im Takt neu verschraubt werden, entsteht das Gefühl echter Interaktion. Nichts ist vollständig vorgefertigt; vieles wird auf der Bühne weitergesponnen. Dieser Ansatz hebt sie von reinen DJ-Sets ab und rückt sie in die Nähe elektronischer Live-Bands. Dass sie ihre Veröffentlichungen über das eigene Label Monkeytown Records prägen und dort eine Familie klangverwandter Artists versammeln, hört man: Die Tracks fühlen sich wie aus einem Universum an – kantig, massiv, dennoch mit einem Augenzwinkern.
Der dramaturgische Verlauf ihres Melt-Auftritts lässt sich in drei Akte gliedern. Zunächst die Initialzündung: trockene, druckvolle Rhythmen, die das Feld abstecken und die Bässe physisch spürbar machen. Danach der mittlere Teil, in dem Modeselektor tiefer in ihr Archiv greifen: Duellierende Synth-Linien, gebrochene Beats, plötzliche Sample-Scherze – ein Wechselspiel, das das Publikum anheizt und gleichzeitig fordert. Im Finale schließlich die Katharsis: breite, hymnische Motive, die die Industrial-Kathedrale Ferropolis in warme, flirrende Energie tauchen, bevor der letzte Schlag abrupt verklingt und nur noch jubelnde Stimmen und pfeifender Wind übrig bleiben.
Was abseits der reinen Klanganalyse bleibt, ist das Besondere eines Melt-Moments: Das Festival selbst ist eine Institution der europäischen Festivallandschaft, die seit den späten 1990ern Acts und Publikum mit einem kuratierten Programm zwischen Avantgarde und Mainstream zusammenbringt. In dieser Geschichte ist der Auftritt von Modeselektor 2019 ein Mosaikstein, der zeigt, wie Clubkultur auf der großen Bühne funktionieren kann, ohne ihre DNA zu verlieren. Statt die Ecken und Kanten abzuschleifen, werden sie aufpoliert; statt bloßer Effekthascherei gibt es Haltung – und Humor.
Modeselektor verkörpern damit etwas, das für die Berliner Schule elektronischer Musik typisch ist: Offenheit und Hybridität. Die Stadt Berlin – mit ihrer Geschichte als Freiraum für Experimente und als Schmelztiegel diverser Szenen – ist nicht bloß Herkunft, sondern klanglicher Resonanzraum. Wenn sie in Ferropolis spielen, reist ein Stück dieser Stadt mit: improvisationsfreudig, widerborstig, aber einladend. Dieses Spannungsfeld macht die Faszination ihres Melt-Sets aus und erklärt, warum es vielen Besucherinnen und Besuchern als „Night to remember“ im Gedächtnis blieb.
Am Ende ist „Modeselektor live beim Melt 2019“ mehr als ein Konzertmitschnitt. Es ist ein Lehrstück darüber, wie elektronische Musik live atmen kann: nicht als sterile Reproduktion, sondern als organischer Prozess zwischen Künstlern, Technik, Raum und Crowd. Wer die Entwicklung von Techno und elektronischer Clubmusik in Europa verstehen will, findet in diesem Auftritt eine dichte, laute, funkelnde Fußnote – geschrieben in Stahl, Licht und Bass.
Fragen & Antworten zum DJ Set
Wer sind Modeselektor und wofür stehen sie musikalisch?
Modeselektor ist ein Berliner Duo, das seit den 1990ern zwischen Techno, Electro und basslastiger Experimentalmusik arbeitet. Ihre Sets verbinden Wucht, Humor und klangliche Überraschungen. Mehr zum Duo: Wikipedia.
Was macht den Auftritt beim Melt 2019 besonders?
Die Kombination aus der spektakulären Ferropolis-Kulisse, einer risikofreudigen Trackdramaturgie und einem performativen Live-Ansatz, der über reines Abspielen hinausgeht, macht diesen Auftritt einzigartig.
Inwiefern unterscheidet sich ein Modeselektor-Live-Set von einem klassischen DJ-Set?
Modeselektor arbeiten live mit hybriden Setups, improvisieren Effekte und Arrangements und reagieren spürbar auf die Crowd. Dadurch entstehen Variationen, die man so nicht auf Platte findet.
Welche Rolle spielt Ferropolis für das Erlebnis?
Die industrielle Umgebung von Ferropolis verstärkt die rauen Klangtexturen und verleiht dem Set eine theatralische, postindustrielle Aura – ein idealer Resonanzraum für Modeselektors Sound.
Ist das Melt! Festival ein typisches Techno-Festival?
Das Melt! Festival ist genreoffen, aber elektronischer Musik traditionell stark verbunden. Es kombiniert große Namen mit Experimentellem und bietet eigenwillige Spielorte wie die Baggerkulisse.
Für wen eignet sich das Set – Hardcore-Raver oder Neulinge?
Für beide. Erfahrene Raver schätzen die Energie und Brüche, Neulinge finden trotz der Härte immer wieder melodische, zugängliche Ankerpunkte.
Faktisches
- Modeselektor stammen aus Berlin und zählen zu den prägendsten deutschen Acts der elektronischen Musik seit den 2000er-Jahren; siehe Modeselektor.
- Das Melt! Festival findet in Ferropolis statt, einer Halbinsel mit riesigen Tagebau-Baggern als Landmarken.
- Die Klangsprache des Duos verbindet Elemente aus Techno, Electro und IDM.
- Visuelle Inszenierung – etwa LED-Flächen und Strobe-Design – ist integraler Bestandteil ihrer Live-Shows.
- Modeselektor betreiben das Label Monkeytown Records, auf dem zahlreiche befreundete Artists veröffentlichen.
- Ferropolis wird oft als „Stadt aus Eisen“ bezeichnet und dient als außergewöhnliche Festivalarchitektur.
- Das Melt! Festival ist seit Ende der 1990er ein Fixpunkt in der europäischen Festivallandschaft.
- Der Live-Ansatz des Duos setzt auf Hybrid-Setups, die Spontaneität und Interaktion mit dem Publikum ermöglichen.
Kritische Analyse
So eindrucksvoll der Auftritt von Modeselektor beim Melt 2019 war, lohnt der kritische Blick auf Form und Kontext. Ein Festival wie das Melt bringt unweigerlich die Herausforderung mit sich, zwischen künstlerischer Integrität und Massentauglichkeit zu vermitteln. Modeselektor lösen das meist mit Bravour, indem sie ihre Ecken und Kanten nicht glätten, sondern inszenieren. Doch die große Bühne verlangt auch Kompromisse: Feinheiten, die in einem Club mit präziser Akustik funktionieren, können in der offenen Weite von Ferropolis an Kontur verlieren. Sounddesign-Details, auf denen ihre Studioarbeit oft fußt, werden hier von der schieren Energie überstrahlt.
Ein zweiter Punkt betrifft die Visualisierung. Die opulente Licht- und LED-Ästhetik verstärkt zwar die Wucht des Moments, setzt aber zugleich eine Erwartungshaltung an den Spektakelwert. Die Frage, ob elektronische Live-Musik sich zunehmend an visuellen Effekten messen lassen muss, bleibt offen. Modeselektor nutzen diese Mittel reflektiert, aber das Format Festival kann das Verhältnis von Klang und Bild zugunsten letzterer verschieben.
Drittens: die Festivalökonomie. Größere Bühnen bringen größere Reichweiten – und größere Zwänge. Time-Slots, Sicherheitsvorgaben und Produktionslogistik lassen weniger Raum für radikale Spontaneität. Modeselektor gelingt es, innerhalb dieser Parameter lebendig zu bleiben; dennoch stellt sich die Frage, wie viel Risiko im Rahmen eines eng getakteten Festivals möglich ist. Gerade Fans, die ihre anarchische Frühphase lieben, könnten sich in diesem Umfeld mehr Unvorhersehbarkeit wünschen.
Schließlich berührt der Melt-Auftritt die Debatte um die Transformation von Clubkultur in Eventkultur. Während Festivals wichtige Räume der Sichtbarkeit und Zusammenkunft schaffen, droht die Gleichförmigkeit großer Produktionen. Modeselektor zeigen einen Weg, beides zu verbinden: die rohe Energie des Undergrounds und die Reichweite der Mainstage. Ob dieser Balanceakt auch in Zukunft gelingen wird, bleibt eine spannende Beobachtung.
Fazit
„Modeselektor live beim Melt 2019“ war ein Statement: energiegeladen, eigensinnig und mit einem feinen Gespür für Dramaturgie. In der einzigartigen Kulisse von Ferropolis zeigte das Duo, wie elektronische Musik auf der großen Bühne atmen kann – ohne ihre DNA zu verlieren. Die Verbindung von roher Basskraft, humorvollen Brüchen und einer starken visuellen Ebene machte den Auftritt zu einem jener raren Festivalmomente, die weit über die Nacht hinaus nachhallen. Wer verstehen möchte, warum das Melt! Festival ein Fixpunkt für Liebhaber elektronischer Musik ist, findet in diesem Set eine glänzende Antwort – aus Stahl, Licht und pulsierendem Beat geformt.
Quellen der Inspiration
- Modeselektor – Wikipedia
- Melt! Festival – Wikipedia
- Ferropolis – Wikipedia
- Techno – Wikipedia
- Electro – Wikipedia
- Intelligent Dance Music – Wikipedia
- Berghain – Wikipedia
- Monkeytown Records – Wikipedia
WICHTIG
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