Marlon Hoffstadt l Daddycation at Awakenings ADE, Gashouder
Stahlrund, Strobo, Sog: Wie Daddycation den Gashouder in einen Techno-Orbit versetzt
Wenn sich im Herbst die internationale Clubkultur in Amsterdam sammelt, wird der zylindrische Kuppelbau der ehemaligen Gasindustrie zur Kathedrale der Kickdrum: der Gashouder in der Westergasfabriek. Im Rahmen des Amsterdam Dance Event (ADE) lädt Awakenings Jahr für Jahr zu Nächten, die die Grenze zwischen Konzert, Choreografie und kollektiver Trance verwischen. Mit der Marke Daddycation bringt der Berliner DJ und Produzent Marlon Hoffstadt die energetische Versöhnung von Nostalgie und Next-Gen-Rave in diesen ikonischen Raum – ein Spannungsfeld, in dem Neonromantik auf hochpräzise Clubtechnik trifft.
Das Setting könnte kaum symbolträchtiger sein: Ein monumentaler Rundbau, Stahl und Nieten, darüber eine Kuppel, die wie ein Resonanzkörper die Wucht der Bassfrequenzen formt. Der Gashouder ist kein gewöhnlicher Club – er ist ein akustischer Körper, der die Techno-Ästhetik mit Industriegeschichte verschaltet. Awakenings nutzt diese Bühne seit Jahren als Leinwand für gigantische Lichtarchitekturen, die in präzise getakteten Wellen durch den Raum schwappen. Wer hier spielt, tritt nicht nur auf, er tritt an – gegen die Erwartungen eines Publikums, das vom ADE bereits von Showcase zu Showcase gespült wurde und dennoch nach dem Moment sucht, der alle Zeiger auf Ekstase stellt.
Genau hier setzt Daddycation an. Das Projekt von Hoffstadt, dessen Wurzeln in Berlin liegen, lebt von einer Haltung, die den Rave als Community-Erlebnis begreift. Zwischen Trance-Hymnen, Hard-Dance-Adrenalin und der warmen Umarmung eurodanciger Melodien baut Daddycation Brücken, statt Gräben: Es ist der Schulterschluss zwischen Plattenladenromantik und Streaming-Ära, zwischen verschwitzt und smart. Der Daddycation-Sound speist sich aus hohen BPM, melodischer Direktheit und einem unironischen Bekenntnis zu Pathos – allerdings übersetzt in eine zeitgemäße, geschliffene Klangsprache. Die Hooks sind kurz genug, um sofort zu zünden, und lang genug, um im Ohr zu bleiben, während die Kick wie ein Metronom der Massen den Puls vorgibt – ganz „Four-to-the-floor“.
Im Gashouder entfaltet sich diese Ästhetik mit besonderer Logik. Der kreisrunde Floor begünstigt eine Art 360-Grad-Kommunikation zwischen Booth und Publikum. Wenn die Lichtbrücken wie Wellenbrecher aus Laser und Nebel den Raum zerteilen, wirkt die Musik nicht mehr linear, sondern räumlich: Drops werden zu Lichtwechseln, Breakdowns zu Schatten, Builds zu kreisenden Kegelbahnen aus Farbe. Die ikonische Kickdrum, oft geprägt von Anleihen an klassisches Drum-Maschinen-Design à la Roland TR‑909, erdet die Euphorie, während Arpeggios und Vocals die Kuppel in vibrierende Linien verwandeln. Das Publikum – eine ADE-Melange aus Szeneprofis, Newcomern und internationalen Weekendern – reagiert mit einem kollektiven Nicken, das schnell zur choreografierten Einigkeit wird.
Was Daddycation so griffig macht, ist weniger die reine Lautstärke als die Dramaturgie. Statt eines Dauerfeuers aus Peaks werden Spannungskurven gebaut, die atmen. Ein Setup kann aus flinken, metallisch schimmernden Percussions, großflächigen Pad-Teppichen und einem Bass bestehen, der schiebt, ohne zu dröhnen. Der Stil ist anschlussfähig nach beiden Seiten: Es gibt genug Kante, um Veteranen der Rave-Kultur zu fordern, und genug Melodie, um neue Hörerinnen und Hörer mitzureißen. Mal blitzen Referenzen an 90er-Ästhetik auf, mal klackern hypermoderne Sequenzen, die so karg wie effektiv sind. Über allem liegt das Prinzip der Verdichtung: Elemente werden vorgestellt, verdoppelt, gespliced, bis ein Momentum entsteht, das den Raum ergreift.
Awakenings bei ADE ist dafür das perfekte Habitat. Als Institution hat das Label mitgeprägt, wie großformatige Techno-Produktionen heute aussehen: millisekundengenaue Stroboskop-Choreografien, pixelgenaue Visuals, ein Tonbild zwischen Druck und Klarheit. Der Gashouder, eingebettet in den Westerpark, verleiht dieser Perfektion einen Hauch von Patina – und damit Seele. Geschichtsträchtige Mauern, moderne Technik, universelles Vokabular: Kick, Clap, Synth, Crowd. In dieser Mischung kann Daddycation seine Identität besonders pointiert ausspielen: eine Feier des Wir-Gefühls in Zeiten der Fragmentierung.
Auch die soziale Dimension ist nicht zu unterschätzen. Das ADE ist mehr als nur Clubmarathon; es ist ein Messe- und Konferenzwesen, ein Schmelztiegel, in dem A&Rs, Produzentinnen, Booker, Labels und Fans auf engem Raum interagieren. Ein Auftritt im Rahmen von Awakenings im Gashouder ist damit nicht nur ein künstlerisches Statement, sondern auch ein Networking-Knoten: Tracks, die hier funktionieren, finden oft schnell ihren Weg in Playlists, Radioshows und internationale Tour-Sets. Dass Daddycation die Zugänglichkeit bewusst hochhält – mitsingbare Motive, klare Spannungsführung, augenzwinkernder Humor – macht das Projekt zu einer Art kulturellem Übersetzer zwischen Szenecodes und Popgestus.
Gleichzeitig stellt die Bühne hohe Anforderungen. Der Nachhall des Kuppelraums, die schiere Menge an Menschen, die unnachgiebige Erwartung eines ADE-Publikums – all das verlangt eine präzise Kontrolle der Frequenzen, exaktes Mixing und eine intuitive Lesart des Mobs. Wer hier performt, muss wissen, wann die Breaks Luft lassen und wann die Snare wieder zuzieht. Eine zu dichte Wand aus Obertonschichten kann im Gashouder schnell zu einem Nebel werden; eine zu karge Passage lässt die Energie absacken. Daddycation setzt deshalb häufig auf klare Bassführung, markierte Übergänge und Hooks, die den Raum „greifen“, statt ihn nur zu füllen.
Fragen & Antworten zum DJ Set
Wer oder was ist Daddycation?
Daddycation ist das Party- und Performance-Konzept von Marlon Hoffstadt. Es verbindet high-energy Clubmusik mit einem Community-Ansatz, der Humor, Zugänglichkeit und kollektive Euphorie betont.
Warum gilt der Gashouder als besonderer Ort für Techno?
Der Gashouder ist ein kreisrunder, kuppelförmiger Industriebau der Westergasfabriek. Seine Architektur erzeugt eine einzigartige Akustik und bietet Platz für großformatige Licht- und Soundproduktionen.
Was macht Awakenings während des ADE so bedeutend?
Awakenings kuratiert während des Amsterdam Dance Event einige der technisch aufwendigsten und international beachteten Techno-Nächte. Die Shows gelten als Messlatte für Produktion und Line-up.
Mit welcher Musik ist bei Daddycation zu rechnen?
Erwartet werden schnelle BPM, trancegetränkte Melodien, Hard-Dance-Impulse und zeitgenössische Rave-Elemente – stets mit Fokus auf klare Hooks und kollektive Energy.
Wie bereite ich mich als Besucher auf ein Set im Gashouder vor?
Bequeme Schuhe, ausreichend Wasser, Gehörschutz und frühzeitige Anreise sind sinnvoll. Der Gashouder kann sehr voll werden; Pausen und Frischluft helfen, die Energie über Stunden zu halten.
Gibt es nach dem Event Mitschnitte oder Streams?
Aufzeichnungen einzelner Acts tauchen gelegentlich online auf, sind aber nicht garantiert. Offizielle Kanäle von Awakenings oder beteiligten Artists geben Hinweise, ob ein Set veröffentlicht wird.
Faktisches
- Das Amsterdam Dance Event ist eine der weltweit größten Konferenzen und Festivals für elektronische Musik.
- Awakenings ist eine niederländische Eventmarke, die sich auf großformatige Techno-Shows spezialisiert hat.
- Der Gashouder ist Teil der Westergasfabriek und gilt als ikonischer Veranstaltungsort in Amsterdam.
- Die kreisrunde Architektur des Gashouders begünstigt immersive Licht-Setups und eine gleichmäßige Energieverteilung im Publikum.
- Daddycation steht für eine energiegeladene, melodieorientierte Interpretation von Rave- und Trance-Elementen.
- Hohe BPM und „Four-to-the-floor“-Beats sind stilprägend für den Sound des Abends.
- Moderne Techno-Produktionen kombinieren oft analoge Referenzen (z. B. TR‑909) mit digitalen Workflows.
- Das ADE zieht jährlich Fachleute, Künstler und Fans aus aller Welt an und fungiert als Trendbarometer der Szene.
Kritische Analyse
So überwältigend die Show im Gashouder sein kann, so berechtigt sind auch ein paar kritische Fragen. Erstens: die Kommerzialisierung. Großproduktionen wie Awakenings perfektionieren die Rave-Ästhetik, riskieren dabei aber, das Unvorhersehbare – jenes kreative Chaos kleinerer Dancefloors – zu glätten. Daddycation punktet mit Offenheit und Humor, muss aber im hochindustrialisierten Kontext immer wieder neu beweisen, dass Community mehr bedeutet als Brand-Loyalität.
Zweitens: die Social-Media-Dynamik. Der Trend zu „Peak-Moments“ für Reels und Shorts beeinflusst Dramaturgien. Kurze, maximale Helligkeit, signalfähige Hooks – das erzeugt Reichweite, kann aber zu dramaturgischer Monokultur führen. Ein gutes Daddycation-Set balanciert deshalb zwischen Moment und Flow.
Drittens: der Sound im Raum. Die Kuppelakustik des Gashouders ist eindrucksvoll, jedoch anspruchsvoll. Wer den Mix nicht sauber trennt, verliert Details. Transparenz und Headroom sind hier keine Kür, sondern Pflicht. Schließlich: Sicherheit und Inklusion. High-density Raves brauchen klare Awareness-Strukturen, Barrierearmut und Zugänglichkeit – nicht nur als Aushängeschild, sondern als gelebte Praxis, damit das „Wir“ mehr ist als eine Pose.
Fazit
Daddycation im Rahmen von Awakenings im Gashouder ist ein Paradebeispiel dafür, wie zeitgenössischer Rave große Räume emotional und ästhetisch bespielen kann. Zwischen industrieller Grandezza und menschlicher Nähe, zwischen Trance-Melodien und Techno-Punch entsteht ein Erlebnis, das den Geist des ADE verdichtet: internationale Begegnung, professionelle Produktion, echte Momente der Gemeinschaft. Wer die Energie moderner Clubmusik in konzentrierter Form erleben will, findet hier einen Abend, der Erinnerungen prägt – und der zeigt, dass der Rave, richtig kuratiert, mehr sein kann als die Summe seiner Drops.
Quellen der Inspiration
- Wikipedia: Amsterdam Dance Event
- Wikipedia: Awakenings Festival
- Wikipedia: Westergasfabriek
- Wikipedia: Techno
- Wikipedia: Trance (Musik)
- Wikipedia: Four on the floor
- Wikipedia: Roland TR‑909
WICHTIG
Du solltest übrigens gerade weil die Künstler mit Streaming nicht gerade viel verdienen, sie am besten direkt unterstützen. Viele Künstler haben die Möglichkeit für Spenden. Mit dem Spendenbutton unter dem Video kannst du z.B. den Klubnetz Dresden e.V. unterstützen. Definitiv solltest Du Auftritte besuchen und wenn Du einen Plattespieler hast, kaufe die besten Tracks auf Vinyl!



































































































